Anzeigepflicht

Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, den Versicherer über risikorelevante Umstände, die das zu versichernde Risiko betreffen, zu informieren und hierdurch seiner Anzeigepflicht nachzukommen. Er zeigt diese Umstände dem Versicherer an.

Man unterscheidet hierbei zwischen der gesetzlichen vorvertraglichen Anzeigepflicht, der gesetzlichen Anzeigepflicht wegen Gefahrerhöhung und der vertraglichen Anzeigepflicht während der Vertragslaufzeit, der sogenannten Obliegenheit.

Ein Versicherungsnehmer erwartet bei Eintritt eines Schadens, dass sein Versicherer entsprechend der vertraglichen Vereinbarung eine Leistung erbringt. Der Versicherer muss jedoch das Risiko, für welches er Versicherungsschutz gewähren soll, abschätzen können und verpflichtet den Versicherungsnehmer daher, ihm bereits vor Abschluss des Versicherungsvertrages sämtliche, risikorelevanten Umstände wahrheitsgemäß mitzuteilen (vorvertragliche Anzeigepflicht). Die vorvertragliche Anzeigepflicht ist gesetzlich im Versicherungsvertragsgesetz (VVG) §19 geregelt.

Bei den Personenversicherungen (z.B. Kapitallebensversicherung, Krankenversicherung und Unfallversicherung) bezieht sich die vorvertragliche Anzeigepflicht hauptsächlich auf die Angaben zur Gesundheit der zu versichernden Person. Bei den Sachversicherungen bezieht sie sich auf den Zustand und die Verwendung der zu versichernden Sache/des zu versichernden Risikos.

Welche Möglichkeiten hat der Versicherer, die Auskünfte einzuholen, die für die Risikobeurteilung wichtig sind?

Der Gesetzgeber verlangt, dass die Versicherungsunternehmen die benötigten Angaben „in Textform“ -beispielsweise mit einem Fragebogen- beim Versicherungsnehmer anfordern. Die Angaben sind von dem Kunden vollständig und wahrheitsgemäß zu machen und schützen ihn vor einem eventuellen Vorwurf der arglistigen Täuschung durch den Versicherer.

Umstände, nach denen der Versicherer nicht gefragt hat und die der Kunde deshalb auch nicht erwähnt hat, können dem Versicherungsnehmer nicht negativ ausgelegt werden, denn er musste davon ausgehen, dass diese nicht relevant sind, wenn nicht nach ihnen gefragt wurde.

Das Risiko, aufgrund einer unvollständigen Befragung eine Fehleinschätzung des zu versichernden Risikos vorzunehmen, liegt also beim Versicherungsunternehmen. Gemäß § 32 VVG darf hiervon auch nicht zum Nachteil des Kunden abgewichen werden.

Wann muss die gesetzliche vorvertragliche Anzeigepflicht vom Versicherungsnehmer erfüllt werden?

Sobald der Kunde seinen Antrag auf Abschluss eines Versicherungsvertrages abgibt, muss er seine vorvertragliche Anzeigepflicht erfüllt haben. Sollte er später erfahren, dass doch ein ihm bis dahin unbekanntes, höheres Gefahrenrisiko vorhanden war, muss er dies dem Versicherer nicht nachträglich ungefragt mitteilen.

Vorsicht ist jedoch geboten, wenn der Versicherungsvertrag nicht nach dem sogenannten Antragsmodell
(Antrag durch Versicherungsnehmer– Annahme durch Versicherer) sondern nach dem Invitatiomodell abgeschlossen wird. In diesem Fall endet die vorvertragliche Anzeigepflicht des Kunden erst mit dessen Annahmeerklärung an den Versicherer.

In Ausnahmen kann die Anzeigepflicht auch fortbestehen, wenn die Vertragserklärung bereits abgegeben wurde. Hierfür muss der Versicherer dann aber erneut ausdrücklich in Textform nachgefragt haben.

Wie unterscheiden sich die Anzeigepflichten?

Während die vorvertragliche Anzeigepflicht und die Anzeigepflicht wegen Gefahrerhöhung gesetzlich geregelt sind (§§ 19 und 23 VVG), sind sonstige Anzeigepflichten ggf. vertraglich mit dem Versicherer vereinbart. Diese müssen im Vertrag verständlich und klar für den Versicherungsnehmer geregelt sein. Sie gehören zu den sogenannten Obliegenheiten. Ein Beispiel hierfür könnte die vertraglich vereinbarte Anzeigepflicht im Schadenfall sein.

Die gesetzlich geregelte Anzeige wegen Gefahrerhöhung untersagt es dem Versicherungsnehmer, nach Vertragsabschluss und ohne Absprache mit dem Versicherer gefahrerhöhende Maßnahmen zu ergreifen.
Stellt der Kunde nach Vertragsabschluss fest, dass er ohne die Einwilligung des Versicherers doch eine gefahrenhöhende Maßnahme vorgenommen oder diese jemandem anderen gestattet hat, so hat der Kunde diese dem Versicherer unverzüglich anzuzeigen.

Auch, wenn nach Abschluss des Vertrages eine Gefahrerhöhung unabhängig vom Willen des Versicherungsnehmers eintritt, so hat er diese umgehend nach Erlangung seiner Kenntnis dem Versicherungsunternehmen mitzuteilen.

Wie sind die Voraussetzungen dafür, dass der Versicherer Maßnahmen wegen Nichteinhaltung der Anzeigepflicht gegenüber dem Versicherungsnehmer ergreifen darf?

Damit der Versicherer Sanktionen gegen den Versicherungsnehmer einleiten kann, muss der Kunde vorher vom Versicherer belehrt worden und Fristen müssen eingehalten worden sein.

Die Belehrungspflicht des Versicherers besteht darin, dass er den Kunden vorab über das ihm zustehende Kündigungs- und Rücktrittsrecht bei Verletzung der Anzeigepflicht hingewiesen haben muss. Die Belehrung muss gemäß § 19 Abs. 5 VVG als gesonderte Mitteilung in Textform erfolgt sein. Außerdem muss der Hinweis so auffällig gestaltet sein, dass der Kunde diesen auch wahrnimmt und der Hinweis muss so rechtzeitig vor dem Vertragsabschluss gegeben worden sein, dass der Versicherungsnehmer die Möglichkeit hat, die Richtigkeit seiner Angaben noch einmal überprüfen zu können.

Hat der Versicherer von der Anzeigepflichtverletzung seines Kunden erfahren, muss er von seinem Rücktritts- oder Kündigungsrecht innerhalb eines Monats Gebrauch machen. Dem Versicherungsnehmer müssen die Umstände mitgeteilt werden, die zur Geltendmachung der Rechte des Versicherers führen.
Die Rechte des Versicherers erlöschen fünf Jahre nach dem Vertragsabschluss. Dies gilt jedoch nicht, wenn ein Versicherungsfall schon vor Ablauf der Frist eingetreten ist, aber erst später angezeigt wurde. Für den Fall, dass der Kunde seine Anzeigepflicht gegenüber dem Versicherer vorsätzlich oder arglistig verletzt hat, wird die Frist für den Versicherer auf 10 Jahre verlängert.

Welche Maßnahmen kann der Versicherer bei Verletzung der Anzeigepflicht ergreifen?

Je nach Art der Verletzung der Anzeigepflicht und Verschulden des Versicherungsnehmers kann es viele Maßnahmen des Versicherers bei einer Nichteinhaltung geben. Es wird unterschieden, ob der Versicherungsnehmer arglistig, grob fahrlässig, vorsätzlich oder gar schuldlos gehandelt hat.

Vertragliche Sanktionen können unter anderem der Rücktritt vom Vertrag oder eine fristlose Kündigung sein. Auch eine Vertragsänderung mit Ausschluss eines Risikos oder einer Beitragserhöhung ist möglich.
Wenn der Versicherungsfall bereits eingetreten ist, kann es eventuell sogar zu einer Leistungsfreiheit des Versicherers kommen.

Zurücktreten kann der Versicherer, wenn dem Kunden seine Anzeigepflicht bekannt war und er diese vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat. Entscheidet sich der Versicherer in diesem Fall nicht für einen Rücktritt, so hat er trotzdem die Möglichkeit zumindest den Versicherungsvertrag anzupassen und das Vertragsverhältnis mit erhöhter Prämie oder anderem Leistungsumfang weiterzuführen. Der Versicherer wird dies prüfen, in dem er überlegt, ob er das Risiko auch angenommen hätte, wenn ihm dieses vor Vertragsabschluss korrekt vom Kunden angezeigt worden wäre.

Tritt der Versicherer vom Vertrag zurück, bevor ein Versicherungsfall (Schaden) eingetreten ist, ist er nicht verpflichtet eine Leistung zu erbringen. Kommt es jedoch zu einem Versicherungsfall, bevor das Versicherungsunternehmen vom Vertrag zurückgetreten ist, besteht dessen Leistungspflicht weiterhin.
Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass sich die Verletzung der Anzeigepflicht auf einen Umstand bezieht, der weder für die Feststellung oder den Eintritt des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich ist.

Bei arglistiger Täuschung durch den Versicherungsnehmer hat der Versicherer nach dem Versicherungsvertragsgesetz und dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) ein Anfechtungsrecht.
Von einem arglistigen Verhalten spricht man, wenn der Kunde dem Versicherer gegenüber bewusst und gewollt falsche Angaben macht, um Einfluss auf dessen Entscheidung zu nehmen. Der Versicherungsnehmer geht entsprechend also davon aus, dass der Versicherer den Antrag nicht oder nicht in der Form annehmen würde, wenn ihm die tatsächlichen Umstände bekannt wären.
Bei arglistiger Täuschung ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet. Von seinem Anfechtungsrecht muss er innerhalb eines Jahres nach Kenntnis der Täuschung Gebrauch machen.

Wenn davon auszugehen ist, dass der Versicherungsnehmer seine Anzeigepflicht nur leicht fährlässig oder gar schuldlos verletzt hat, kann der Versicherer lediglich eine Kündigung aussprechen. Er kann den Versicherungsvertrag dann unter Einhaltung einer Frist von einem Monat kündigen.
Wenn der Versicherer den Vertrag mit dem Kunden allerdings auch geschlossen hätte, wenn ihm der nicht angezeigte Umstand bekannt gewesen wäre, dann ist eine Kündigung durch den Versicherer ausgeschlossen und der Vertrag wird mit entsprechend angepassten Bedingungen fortgeführt.
Die Beweis- und Darlegungslast hierfür liegt aber beim Versicherungsnehmer und ein Nachweis ist eher schwer zu erbringen.

In welchen Fällen kann der Versicherer keine Maßnahmen gegenüber dem Kunden ergreifen?

Sollte der Versicherer Kenntnis von einem gefahrenhöhenden Umstand haben, obwohl dieser ihm nicht direkt vom Kunden angezeigt wurde, entfallen die Sanktionen. Dies kann z.B. passieren, wenn der Versicherungsnehmer seinen Versicherungsvertreter über einen Umstand informiert hat, dieser die Anzeige jedoch (noch) nicht weitergeleitet hat.

Der Versicherer gilt dennoch als informiert, da der Versicherungsvertreter bevollmächtigt ist, Anzeigen und Erklärungen des Versicherungsnehmers entgegen zu nehmen. Der Versicherer muss sich also sämtliches Wissen seines Vertreters anrechnen lassen. Dies gilt jedoch überwiegend nicht für Versicherungsmakler -welche in der Regel Verträge für verschiedene Versicherungsgesellschaften abschließen- und auch nicht für Versicherungsberater, die nur eine beratende Tätigkeit haben.


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